Ein sonniger Samstag Ende September. Auf dem Vorfeld des Flugplatzes in Gütersloh hat sich eine Gruppe von Verletzten gesammelt. Einige von ihnen können noch stehen. Ein knappes Dutzend aber liegt mit Verätzungen oder Kopfverletzungen bereits auf Spineboards, teils stöhnend, teils bewusstlos. Über ihnen stehen Figuren in orangefarbenen Schutzanzügen. Was nach einem schweren Unglücksszenario klingt, ist aber zum Glück nur eine Übung.
Am Morgen des 30. Septembers haben sich rund 50 Feuerwehrleute und Sanitäter an der Hauptfeuerwache in Bielefeld versammelt. Unter ihnen sind Ehrenamtliche der Löschabteilungen Eckardtsheim, Innenstadt, Lämershagen, Milse und Niederdornberg-Deppendorf, der Drohnengruppe sowie hauptamtliches Rettungsdienst- und Führungspersonal der Berufsfeuerwehr. Ihr gemeinsames Ziel: Das Beüben der Verletzten-Dekontaminations-Bereitschaft 50 NRW (V-Dekon-B 50 NRW). Hierbei soll ein Dekontaminationsplatz aufgebaut werden, in dem 50 Verletzte pro Stunde dekontaminiert werden können. Dafür ist einiges an Material und Personal erforderlich – auf dem Hof der Hauptwache stehen an diesem morgen 15 Fahrzeuge in Reih und Glied bereit.
Nach einer kurzen Einweisung setzt sich der Marschverband in Richtung Gütersloh in Bewegung. Die Bevölkerung ist vorab informiert worden, dass keine Gefahr besteht. Eine gute Idee, denn die lange Reihe von Fahrzeugen mit Blaulicht zieht einige erstaunte Blicke auf sich. Knapp 50 Minuten später biegt das Führungsfahrzeug auf das Gelände der ehemaligen Princess Royal Barracks, dem Gütersloher Flugplatz, ein.
Mit dem Absatteln des Abrollrollbehälters V-Dekon beginnt der Aufbau des Dekontaminationsplatzes. Rollwagen werden ausgeräumt, Zelte errichtet und Wasserleitungen angeschlossen, während die Drohne der Bielefelder Drohnengruppe über dem Vorfeld ihre Bahnen zieht. In einem naheliegenden Gebäude werden die Mimen der Notfalldarstellung des Deutschen Roten Kreuzes Gütersloh auf die Darstellung eines Unglücks mit Gefahrgut vorbereitet. Mitgebrachte Kleidungsstücke werden aufgeschnitten und Wunden geschminkt. Auch einige Feuerwehrleute und Sanitäter ziehen sich um – in ihrem Fall werden jedoch die orangefarbenen Gebläsefilteranzüge angelegt, die sie im Ernstfall vor Gefahrstoffen schützen sollen.
Kurz vor 12 Uhr beginnt die eigentliche Dekontaminationsübung mit der Sichtung der Verletzten durch den Rettungsdienst. Die liegenden Verletzten werden anschließend nach Behandlungspriorität in die Dekontaminationsvorbereitung gebracht, wo sie entkleidet und ihre Wunden abgedeckt werden. Für die darauffolgende Nassdekontamination tragen die Mimen dürfen in diesem Fall jedoch Badebekleidung tragen. Parallel dazu werden die gehfähigen Verletzten auf einer separaten Strecke stehend dekontaminiert.
Nach etwa 40 Minuten sind alle Verletzten dekontaminiert. Nun gilt es, erst einmal neue Kraft zu tanken. Der eigens angereiste Verpflegungszug (Löschabteilung Jöllenbeck) serviert Heißwürstchen mit Brötchen und Kartoffelsalat und die Übungsbeteiligten haben die Gelegenheit, den neuen Gerätewagen-Küche einmal aus der Nähe anzuschauen.
Gut gestärkt beginnt der Abbau, an den sich die Heimfahrt anschließt. Gegen 16 Uhr wird der Marschverband auf dem Südring aufgelöst. So können die Beteiligten aus dem Bielefelder Süden direkt ihre Standorte anfahren.
Hintergrund der Übung ist neben dem fortlaufenden Erfahrungsaufbau und -erhalt der beteiligten Einheiten auch die anstehende Fußball-Europameisterschaft im Jahr 2024. Zu derartigen Großereignissen werden vorsorglich Bereitschaften wie eben die V-Dekon-B 50 NRW aufgestellt, um für alle Eventualitäten gerüstet zu sein. Doch auch abseits von vorgeplanten Bereitschaften können Kommunen und Kreise NRW-weit die Kräfte anfordern, wenn Einsätze mit einer hohen Anzahl von mit Gefahrstoffen kontaminierten Personen aufkommen.
Lars Fetzer, Verantwortlicher für ABC-Schutz und Dekontaminationseinheiten im Feuerwehramt, zeigt sich zufrieden mit der Übung. Natürlich seien da ein paar Schnittstellen, wo man nachbessern müsse. Das sei aber ganz normal. Sein Fazit: „Gut gelaufen.“